Projektbeschreibung
Migration verändert Religionsgeographien. Während die Migration von Musliminnen und Muslimen massenmedial und politisch stark wahrgenommen wird, wird oft übersehen, dass im Zuge aktueller Migrationsbewegungen auch Christenmenschen nach Deutschland kommen bzw. Flüchtlinge im Zuge ihrer Migration zu Christen werden und sich taufen lassen. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge waren 2015 13,8 % aller Asylbewerber Christinnen und Christen, besonders hoch war die Zahl unter den Flüchtlingen aus Eritrea (72 %) und Asylbewerbern aus Serbien (60 %). Etwa 4 % der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak bekennen sich zum Christentum (Irak: 4,2 %; Syrien: 3,9 %). Christinnen und Christen kommen zudem als Arbeitsemigranten aus Bulgarien, Polen und Rumänien und als junge Akademiker aus China und Südkorea. Gelebte Vielfalt bleibt nicht länger nur Kennzeichen des weltweiten Christentums, sondern prägt die Situation vor Ort. In zahlreichen Kirchengemeinden bereichern mittlerweile Christinnen und Christen (vor allem aus dem arabisch-persischen Raum und aus Afrika) das gottesdienstliche Leben. Zudem kommt es zum Ausbau eines bisher nur wenig beobachteten Segments der deutschen Religionslandschaft, namentlich der Migrationskirchen. Kirchliche Beobachter schätzen, dass sowohl im Ruhrgebiet als auch im Rhein-Main-Gebiet etwa jeweils 600 protestantische bzw. pentekostale Migrationskirchen existieren. Der Internationalen Konferenz christlicher Gemeinden im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers gehören derzeit 12 Gemeinden anderer Sprache und Herkunft an. Die Anzahl solcher Gemeinden dürfte aber nach begründeter Schätzung des Instituts für Migrationswissenschaften in Osnabrück wesentlich höher liegen. Das Bistum Hildesheim zählt zudem 17 Gemeinden anderer Muttersprache. Ferner sind alle Mitgliedskirchen der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland auch in Niedersachsen vertreten.
Das Forschungsnetzwerk „Begegnung mit dem globalen Christentum vor Ort. Migrationskirchen in Niedersachsen“ hat diejenigen Forschungen gebündelt, die aus theologischer, religions- und migrationswissenschaftlicher Sicht die „vergessenen Minderheiten“ der christlichen Migrantinnen und Migranten in den Blick nehmen. Das Forschungsnetzwerk vernetzte auf diese Weise das Institut für Evangelische Theologie in Osnabrück, die sozialwissenschaftliche Religionsforschung am Institut für Soziologie der Georg-August-Universität Göttingen, die Fachhochschule für Interkulturelle Theologie (FIT) Hermannsburg sowie die Missionsakademie am der Universität Hamburg.
Die Bündelung der verschiedenen Forschungen und Institutionen diente dazu, das glokale Phänomen der Migrationskirchen (in einem historisch weiten und deshalb etwa die orthodoxen Kirchen einbeziehenden Sinn) im Blick auf Niedersachsen genauer zu erfassen und Möglichkeiten einer fruchtbaren Begegnung zwischen Migrationskirchen und reformatorischen Kirchen samt ihrer akademischen Theologie auszuloten.